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ZWERGE UND LANGE SCHATTEN - PI-JAYS FILMJAHR 2004
Es ist schon beinahe Tradition, dass William 
Goldman in seinem Jahresrückblick behauptet, die zurückliegenden zwölf Monate 
seien, was die Qualität der aufgeführten Filme angeht, die schlechtesten seit 
den späten 30er Jahren. Heuer bin ich zum ersten Mal geneigt, ihm darin 
zuzustimmen.
Dabei kommt einem rückblickend betrachtet das Filmjahr 2004 gar nicht mal so 
übel vor. Im Gegensatz zu den Vorjahren gab es zumindest keine Filme, auf die 
man sich gefreut hat und die einen dann enttäuschten (wie in 2003 Tatsächlich 
Liebe oder Nicht auflegen) oder von denen man sich wenigstens ein 
ordentliches Genrestück erhofft hat und die dann richtige Stinker waren (wie 
Hulk oder in 2002 Blade 2).
Erfreulicherweise hielt sich in diesem Jahr die Anzahl der Sequels in Grenzen, 
obwohl der Trend zu Fortsetzungen weiterhin ungebrochen ist. Wenigstens gab es 
keine peinlichen Katastrophen wie die Matrix-Sequels oder einen lauwarmen
Star Wars-Aufguss. Harry Potter und der Gefangene von Askaban und
Die Bourne Verschwörung lieferten wenigstens gute Unterhaltung, auch wenn 
sie sich nicht an ihren Vorgängern messen konnten, und Spider-Man 2 und
Shrek 2 waren immerhin noch annehmbar.
Auch die personellen Enttäuschungen waren nicht so groß wie in den Vorjahren. So 
ist wohl kaum zu erwarten, dass eine schauspielerische Null wie The Rock den 
Oscar erhält – wie Jennifer Connelly vor zwei Jahren – und dass Tarantino sein 
Image als Regie-Wunderkind verspielt hat, war auch schon vor Kill Bill - Vol. 
2 klar. Ebenso wie bei Petersens Troja oder Bridget Jones – Am 
Rande des Wahnsinns stellt sich nur leichtes Bedauern darüber ein, dass so 
viele Möglichkeiten schlichtweg verschenkt wurden.
Leider war 2004 aber auch ein Jahr ohne angenehme Überraschungen. Wenn es 
überhaupt Grund zur Verwunderung gab, dann darüber, dass Roland 
Mr.-Spätzle-Effekt Emmerich einen ansehnlichen Film gemacht hat. Aber ist das 
gleich ein Grund zu jubeln ...?
Selbstverständlich gab es auch in diesem Jahr Filme, die auf ihre Weise für 
Aufregung gesorgt haben oder die man einfach nicht auf dem Radar hatte: Die 
Passion Christi zum Beispiel – das filmische Äquivalent zum 
mittelalterlichen Ablasshandel. Mel Gibson büßt für seine Sünden, indem er mit 
eigenem Geld einen absolut unkommerziellen Filmkommentar zu seinem religiösen 
Fundamentalismus abliefert – und öffnet damit die Herzen (und Geldbörsen) der 
Menschen im bibel-belt. Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf, könnte man dazu 
sagen, oder mit den Worten Jesu (allerdings nicht auf Aramäisch): „Eher geht ein 
Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.“
Oder Der Wixxer. Auch so ein Film, den ich nicht sehen wollte – aus einem 
einfachen Grund: Jede original Edgar-Wallace-Verfilmung ist bereits eine Parodie 
für sich. Warum sollte ich mir also die Parodie einer Parodie antun? 
 
Doch Bully sei Dank erfreut sich dieses Kellerkind des deutschen Humors bei uns 
zurzeit größter Beliebtheit. Dass (T)Raumschiff Surprise einer Lizenz zum 
Gelddrucken gleichkam, konnten sich die Produzenten schon ausrechnen, noch bevor 
sie die letzten Euros gezählt hatten, die ihnen Der Schuh des Manitu 
eingebracht hat. Aber wer hätte gedacht, dass 7 Zwerge ähnlich 
erfolgreich sein würde?
Damit sind wir bei etwas Erfreulichem angelangt – dem deutschen Marktanteil. Die 
Zahlen können sich wirklich sehen lassen, aber bei näherer Betrachtung zeigt 
sich jedoch, dass in erster Linie der Klamauk die Mutter des Erfolges deutscher 
Kinofilme ist. Und da Erfolge hierzulande oft und gerne kopiert werden, stehen 
uns wohl oder übel noch weitere Albernheiten ins Haus ...
Der einzige Film (Koproduktionen und die ohnehin meist erfolgreichen Kinderfilme 
einmal ausgeklammert) aus unseren Landen, der noch für Kasse gesorgt hat, ist 
das künstlerisch-kulturelle Feigenblatt Der Untergang. Gott sei Dank, 
kann man sagen, auch wenn Oliver Hirschbiegels Regie beileibe keine 
Glanzleistung war (aber immer noch besser als Eichingers Buch), und der Film als 
solcher von einem Meisterwerk weit entfernt ist. Dennoch ist es höchst 
erfreulich, dass sich der Mut der Macher ausgezahlt und ein so schwieriges Thema 
so viele Besucher gefunden hat.
Und der Rest? Lautlos ist – zu Recht – auf ebensolche Art und Weise 
untergegangen. Autobahnraser und andere Versuche, Hollywoods Erfolge zu 
imitieren, anstatt den Mut aufzubringen, etwas Originelles und Eigenes zu 
schaffen, wurden schon bald abgehängt. Was nützt die Liebe in Gedanken? – 
offenbar nichts ...
Traurig stimmt nur der mäßige Erfolg von Sommersturm, der mehr Besucher 
verdient gehabt hätte. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Produktionen, ob 
aus Hollywood oder aus Deutschland, lag dem Film keine literarische oder 
sonstige Vorlage zugrunde. Dass Filme heute nahezu ausschließlich auf der 
Grundlage eines literarischen (Roman, Sachbuch, Kurzgeschichte oder Comic) bzw. 
filmischen Vorbilds (als Prequel, Sequel oder Remake) oder wenigstens nach einer 
wahren Begebenheit produziert werden, ist schon kein Trend mehr, sondern die 
reinste Seuche ...
Natürlich kann man verstehen, dass die Produzenten auf Nummer sicher gehen 
wollen und lieber auf einen Stoff setzen, der sich bereits bewährt hat, als auf 
eine unbekannte Größe. Der Markt ist schwer einzuschätzen, der Zuschauer 
unberechenbar und ein Trend vergänglicher als eine Pusteblume im Wind. Aber wenn 
es dazu führt, dass ein Stoff wie Good-bye, Lenin! (wie ich gehört habe) 
sieben Jahre bis zu seiner Realisierung gebraucht hat, dann hat das nichts mehr 
mit unternehmerischer Vorsicht zu tun, dann kann man nur noch von Feigheit 
sprechen.
Kein Meisterwerk, aber auch kein richtiger Stinker – war das Filmjahr 2004 also 
wirklich so enttäuschend? Bei einem Großteil der Produktionen handelte es sich 
immerhin um gut gemachte und zumeist sogar unterhaltsame Filme (Last Samurai 
war ein guter Abenteuerfilm, Was das Herz begehrt eine amüsante Komödie,
The Door in the Floor ein ansprechendes Drama und Die Unglaublichen 
ein witziger Animationsfilm) – aber auf die meisten davon hätte ich auch gut und 
gerne im Kino verzichten und sie mir viel später auf Video oder DVD ansehen 
können. Mit anderen Worten: 2004 war der Triumph des Mittelmaßes.
Selbstverständlich gab es auch einige Filme, die über den Durchschnitt 
herausragten, so Tim Burtons bewegender und trotzdem lustiger Big Fish 
oder Kalender Girls, und auch Lost in Translation hatte das 
gewisse Etwas, das Filme unverwechselbar macht. Dennoch gehört keiner von ihnen 
zu jenen Filmen, deren Charaktere man sofort ins Herz schließt, Filme, die einem 
wieder das kindliche Staunen lehren und vor Augen führen, was Kino im 
allerbesten Falle sein kann: pure Magie ...
Die meisten Filme des Jahres 2004 waren alles in allem okay, nicht mehr, aber 
auch nicht weniger (s. die Favoriten-Liste). Warum stellt sich also ein Gefühl 
der Enttäuschung ein? Natürlich wäre es naiv, in jedem Jahr ein Wow-Erlebnis zu 
erwarten – von einem magischen Kinoereignis wie Der Herr der Ringe werden 
wir wohl noch eine ganze Weile zehren müssen. Außerdem war 2003 ein wirklich 
außergewöhnliches Jahr, das uns so herausragende Filme wie City of God,
In America und The Hours, Good-bye, Lenin! und Frida 
beschert hat. 
 
Gerade im Arthousekino fehlte es aber heuer am großen Wurf: Sofia Coppola hat 
erneut bewiesen, dass sie es meisterhaft versteht, eine dichte Atmosphäre auf 
die Leinwand zu bannen, aber dramaturgisch gesehen liefert sie doch eher 
Diätkino. Das Mädchen mit dem Perlenohrring hat schöne Bilder (Eduardo 
Serra wurde dafür zu Recht mit dem Europäischen Filmpreis belohnt) und 
wunderbare Musik, ist alles in allem aber für meinen Geschmack von einer 
Subtilität, die fast schon ans Banale grenzt. Die Kinder des Monsieur Mathieu 
ist zwar ein bewegender Film, kommt aber leider gegen sein Genrevorbild Der 
Club der toten Dichter nicht an.
In diesem Jahr sind sehr viele Filme unter ihren Möglichkeiten geblieben, und 
das ist schade. Ärgerlich ist es nur dann, wenn manche Streifen trotzdem von der 
Kritik über alle Maßen gelobt und mit Preisen ausgezeichnet werden. Oder wenn 
ein Regisseur wie Francois Ozon für seine im besten Falle belanglosen Streifen 
jedes Mal mit Ovationen überschüttet wird. Aber wie Karl Kraus einmal so 
treffend sagte: „Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen auch Zwerge 
lange Schatten.“
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